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Interview mit Kreator (20.09.2013)

Kreator

Für die aktuelle Ausgabe des Legacy-Magazins, die seit Anfang der Woche im Handel erhältlich ist, habe ich anlässlich der Veröffentlichung von KREATORs neuer Live-DVD/Blu-ray "Dying Alive" (Review) ein längeres Telefonat mit Frontmann Mille Petrozza geführt. Da im Heft der Platz nicht ausreichte, um das Interview in voller Länge abzudrucken, geht es nun im originalen Wortlaut an dieser Stelle online. Das Telefonat fand Ende Juli statt und Mille ist gerade zurück aus einem Kurzurlaub.

Hi Mille. Und, hast du dich gut erholt im Urlaub?

Ich war ja nur eine Woche in Berlin, ich fahre oft hin um Freunde zu besuchen, das ist also nur eine Art Urlaub.

Also war noch kein Erholungsurlaub angedacht?

Der kommt später, erst kurz vor der Welttour.

Was machst du im Urlaub zum Entspannen, was musst du tun, um die Akkus wieder aufzuladen?

Theoretisch hänge ich dann ehrlich gesagt nur herum. Ich gehe tauchen, liege am Swimming Pool und lese viel. Aber ansonsten nichts aufregendes, nichts, was andere Leute nicht auch im Urlaub machen würden.

Also kein Bergsteiger-Urlaub oder so etwas?

Nein, nein. Normalerweise mache ich immer aus irgendwelchen Gründen Städteurlaub in Berlin und wenn ich sonst Urlaub mache, liege ich am Strand und Pool und lese fünf Bücher, die ich schon immer mal lesen wollte.

Was haste da schon auf der Liste?

Ich habe ein ganz dickes Buch von David Foster Wallace, das wollte ich mal angehen und ein paar andere Sachen.

Du hast gerade über Berlin gesprochen. Gefällt es dir da so gut oder hast du einfach dort so viele Freunde und Bekannte, dass es dich immer wieder dahin zieht?

In erster Linie ist es so, dass viele meiner Freunde aus Essen nach Berlin gezogen sind, die besuche ich dann immer. Andererseits habe ich auch noch ganz viele andere Leute, die ich da so besuche. Es ist einfach eine lustige Stadt und ich finde es da ganz gut. Dadurch, dass es da viele vegane Restaurants gibt, fühle ich mich doppelt wohl. Ich bin da seit Jahren regelmäßig, mindestens einmal im Jahr.

Umsiedeln käme für dich aber nicht in Frage?

Ich habe darüber nachgedacht, aber ich bin Freund des Ruhrgebiets. Ich bin da zwar ganz gerne, aber nur zu Besuch. Da würde ich wahrscheinlich auch sehr abgelenkt werden, da ist ja ständig was los und ich bin sehr anfällig für so was. Deswegen ist es ganz gut hier im Ruhrgebiet, da hat man auch seinen Freundeskreis  und  möchte auch nicht hier weg. Ich lebe ganz gerne im Ruhrgebiet, auch hier in Essen.

Ich kann das gut nachvollziehen. Ich lebe ja selber in Velbert, finde aber zum Beispiel Hamburg superschön, würde aber nicht hier wegziehen wollen, weil man ja alles hat. Ich komme schnell nach Düsseldorf, Köln oder ins Ruhrgebiet für Konzerte und man hat auch noch ein bisschen Grün drum herum, man hat also keinen wirklichen Grund, hier weg zu gehen.

Genau. Außerdem ist es ja auch immer schön, seine Lieblingsstädte dann zu besuchen und man weiß es zu schätzen, wenn man zurück ins Ruhrgebiet kommt. Essen ist ja eine der grünsten Städte in Deutschland und es hat auch echt seine Vorteile, hier im Ruhrgebiet zu wohnen.

Gut, dann lass uns jetzt mal ein bisschen über die DVD reden. Hast du das ganze Frühjahr daran gearbeitet?

Ja, sozusagen. Wir haben daran mit einem Team zusammengearbeitet. Der Regisseur Matthias Kollek – der wohnt auch in Essen, quasi bei mir um die Ecke – hat immer mal ein paar Rohschnitte gemacht und ich bin dann zur Kontrolle dahin. Wir haben dann auch immer einiges besprochen, so das stilistische, wie das aussehen soll und ob wir mit viel Effekten arbeiten sollen. Wir sind dann zu dem Schluss gekommen, dass wir weniger solche Sachen wie die monochromen Farben bei den vorherigen Videos machen, sondern ein realistischeres, nicht so stilisiertes Bild des Konzerts in Oberhausen abgeben. Wir haben uns dann dafür entschieden, die Farben original zu belassen und dem Ganzen nur einen schönen Filmlook zu geben. Das hat den Effekt, dass das kaum Effekte hat. Wenn man beim Konzert war, dann sah das eben in etwa so aus. Das ist für mich auch eine neue Herangehensweise gewesen, weil ich ein großer Freund des stilisierten Bilds bin und den Fans dadurch auch viel abverlangt habe. Viele mochten das nicht, wenn dann so ein Wacken-Konzert komplett in einem monochromen Blau ist. Dieses Mal haben wir einfach ein klares Bild dessen vermitteln wollen, was am 21. Dezember 2012 in Oberhausen passiert ist.

Ich finde das auch insofern interessant, als dass es ja auch in der Konzertfotografie viele Fotografen gibt, die die Bilder stark bearbeiten. Das sieht zwar immer ganz schön aus, aber das fängt ja nicht wirklich das ein, was die Zuschauer da gesehen haben.

Das Problem, das man als Band immer hat, ist folgendes: man gibt sich total viel Mühe, dass das Visuelle stimmt. Heutzutage kann ja jeder mit seiner winzigen Kamera auf Konzerten Fotos machen und die im Internet verbreiten und manchmal ist das nicht schön, was dabei herauskommt, das muss ich ganz ehrlich sagen. Aber da muss man einfach uneitel sein und den Leuten auch das Recht geben, ein authentisches Bild von dem zu vermitteln, was da wirklich zu sehen war. Das ist ein bisschen zwiespältig für mich, ich bin eben auch jemand, der gerne stilisiert und alles gerne in ein nettes Licht rückt. Wenn man vor einem Livekonzert schlecht geschlafen hat und scheiße aussieht, dann muss man eben damit leben, dass man dann im Internet auch so aussieht, da kann man nichts machen.

War es euer Ziel bei der Produktion, die Energie des Abends einzufangen? Das war so der Eindruck, den ich hatte, auch durch die Publikumskameras, die Kameras von unten und von oben  und an den Gitarren… man guckt sich nicht nur ein Konzert an, sondern sieht richtig, was abgegangen ist.

In den letzten Jahren sind KREATOR-Konzerte so ein bisschen zu Sportveranstaltungen geworden. Es ist immer viel los, es gibt große Moshpits und die Leute rasten ziemlich aus. Das ist auf unseren bisherigen DVDs nicht eingefangen worden. Ich habe mich immer ein bisschen darüber aufgeregt, dass man nicht sieht, wie intensiv das Publikum abgeht und wie sehr es ein Teil der Show ist. Das kann man nur machen, wenn man es vernünftig plant. Heutzutage ist es zum Glück supergünstig, drei Leute mit Kamera auf dem Kopf in den Moshpit zu schicken. Wir hatten die Moshpitcams, oben drüber noch eine, eine fest installierte und einen Kran, insgesamt 24 Kameras. Das ist eben auch durch die digitale Technik möglich geworden, früher hätte man sich dafür noch doof und dämlich bezahlt, da hätte sich das nicht gerechnet. Heute geht das.

Wer waren denn die Leute im Publikum, waren das Fans oder waren das Leute, die sich ein bisschen mit dem Filmen auskennen?

Das waren Fans und Freunde der Band, der eine war zum Beispiel der Sohn unseres Schlagzeugers, der auch ein totaler Metalhead und immer im Pit ist, wenn wir irgendwo spielen. Dann waren da auch noch zwei Freunde, die aber auch Moshpit-erfahren sind. Es mussten ja auch Leute sein, die Bock haben, sich da anderthalb Stunden ins Getümmel zu stürzen. Das waren keine professionellen Kameraleute, das wollten wir auch bewusst nicht, weil die wahrscheinlich nicht so wild dabei gewesen wären.

Stand denn von vorne herein fest, dass ihr die Oberhausen-Show aufnehmen wollt?

Das war eine relativ spontane Entscheidung, die haben wir erst auf der Tour getroffen. Wir hatten ja das Konzert in Berlin für Spiegel Online und Tape TV aufgezeichnet und die Aufnahmen haben uns dazu inspiriert, auch in Oberhausen aufzunehmen. Wir haben dann mit unserer Plattenfirma darüber gesprochen, dass das ja auch eine gute Werbung für die Tour gewesen wäre und haben dann auch gemerkt, dass wir da nicht so die Kontrolle über die Kameras hatten und haben dann gesagt, dass wir da mal was vernünftiges machen sollten. Lass uns einfach mal eine neue DVD machen, gerade auch in Oberhausen, weil wir wussten, dass das Konzert etwas Besonderes werden würde. Es war ja auch abzusehen, dass es ein großes Konzert werden würde. Wir wollten das einfach mal einfangen, auch weil die Tour super erfolgreich war. Wir wollten, dass die Leute auch eine Art Erinnerung an das Konzert haben und auch mal ein ganzes Konzert haben. Damals bei der "Live Kreation" mussten wir auf Festivalaufnahmen zurückgreifen, weil die Aufnahmen in Brasilien komplett in die Hose gegangen sind. Da haben wir mit sieben Kameras gearbeitet, wovon dann eine einfach nicht benutzt wurde, das war eine Katastrophe. Dieses Mal wollten wir 100%-ige Kontrolle. Dadurch, dass das hier in Oberhausen war und dass das Mieten von Kameras nicht mehr so teuer ist wie vor zehn Jahren, konnten wir unseren Traum auch verwirklichen und ein Konzert mit so vielen Kameras aufnehmen.

Hat man dann Angst, dass irgendwas schiefgeht oder dass es größere Pannen bei der Show gibt?

Beim ersten Song hab ich mich ja erst mal total versungen. Nicht weil ich nervös war, sondern weil der Monitorsound nicht richtig war. Das muss ja erst einmal korrigiert werden, also haben wir das auch nachbearbeitet. Die Leute, die beim Konzert waren, haben das auch bemerkt und wir haben das korrigiert, weil wir sonst den Song hätten wegschmeißen müssen, das wäre auch blöd gewesen. Also sind wir beim Mix nochmal ins  Studio gegangen und haben den ersten Vers neu eingesungen. Das ist aber auch das einzige, was korrigiert wurde, der Rest ist, wie es auch wirklich auf der Show passiert ist. Wir haben also nichts weiter nachbearbeitet, sondern vernünftig gemixt. Wir haben darauf geachtet, dass wir die Mikros vernünftig positionieren, wir haben mit Jens Bogren als Co-Produzent gearbeitet, der dafür gesorgt hat, dass das audiomäßig 100%-ig ist und das hat super funktioniert. Da haben wir wirklich einen unglaublich guten Sound hingekriegt, auch weil alles live ist. Man hört auch Fehler; wenn man genau hinhört, hört man wirklich ein paar totale Patzer, was die Gitarren betrifft. Wir wollten das aber auch bewusst so lassen, denn das ist das, wovon  meiner Meinung nach eine Liveaufnahme leben sollte. Man hört, dass die Band nicht immer 100%-ig auf dem Punkt ist und dass auch mal ein schiefer Ton drin ist und nur dann ist es auch ein Livealbum. Ich habe jetzt die neue IRON MAIDEN-DVD von dem Konzert vor 20 Jahren und da hört man auch noch ganz viele Fehler und das ist doch, worum es geht. Ein Album muss so perfekt wie möglich sein, eine Liveaufnahme muss so perfekt wie möglich gemischt sein. Da finde ich es dann doof, wenn man zu viel nachbearbeitet.

Kreator "Dying Alive" Earbook"Dying Alive" erscheint ja jetzt in vielen verschiedenen Formaten. Habt ihr da auch Mitspracherecht oder ist das Sache der Plattenfirma?

Das sind Vorschläge, die von der Plattenfirma kommen und die wir dann absegnen. Ich wollte einfach nur, dass das Ding auf Vinyl rauskommt, dass das Audio rauskommt, weil manche einfach keinen Bock auf eine DVD haben, und auf Blu-ray und dass wir ein vernünftiges Artwork haben. Und das passte dann ganz gut zu den Ideen, die Nuclear Blast hatte. Die haben ja zum Beispiel dieses Audiobook, das Vinylformat hat, das hat uns super in den Kram gepasst, weil wir extra einen Fotografen bei manchen Konzerten engagiert haben, der gute Fotos gemacht hat. Und wir haben noch eine Fanaktion gemacht, wo Fans uns Fotos einschicken und das sieht nicht aus, wenn man das nur auf einem kleinen CD-Format herausbringt, da kannste ja nix sehen. Von daher finde ich die Idee mit diesem Audiobook ziemlich gut, weil das ein eigenes Kunstwerk wird.

Findest du denn 60 € angemessen für die Mailorder-Edition, wo noch eine 7"-Single dabei ist?

Der Preis ist für so ein Sammlerstück natürlich nicht günstig. Das ist schon happig, aber ob es angemessen ist? Keine Ahnung. Das ist immer in Relation zu sehen. Ich persönlich bin jemand, der sich das Ding in der ganz normalen Version holen würde, ich bin aber auch kein Sammler. Ich war gestern bei dieser Star Wars-Messe hier in Essen, da musstest Du 55 € Eintritt bezahlen, damit du überhaupt was kaufen konntest. Ich finde solche Aktionen sind etwas für die Die-Hard-Fans, die Bock darauf haben und die sich das auch leisten können. Dafür gibt es ja dann auch die verschiedenen Formate. Die DVD oder Blu-ray kostet dann halt nicht so viel. Das ist immer so ein zweischneidiges Schwert, andererseits ist das ja auch ein fettes Ding; wenn du das in den Armen hältst, ist das auch schön, wir haben ja auch darauf geachtet, dass das super gemacht wird und dass man für sein Geld auch etwas bekommt, was super aussieht. Es ist nicht so, als wenn das ein Rip-Off wäre.

Ich habe da auch vollstes Verständnis für. Ich habe mir von WATAIN das neue Album in der Mailorder Edition bestellt, das kommt aus Schweden und wenn man das hier aus Deutschland bestellt, bezahlt man insgesamt 90 € dafür. Bei Bands, die einem am Herzen liegen, gibt man eben auch gerne mal ein bisschen mehr aus. Es wird halt oft kritisiert, wenn so viele verschiedene Formate herauskommen, aber es wird ja niemand gezwungen, sich so etwas zu kaufen.

Ich habe letztens mit Fans gesprochen und dann höre ich auch mal genauer hin. In England hab ich einmal vier Mal die gleiche Single unterschrieben, weil sie in verschiedenen Farben kam und ich meinte dann, dass das ja schon brutal wäre. Die Fans meinten aber "Ist doch super, da haben wir wenigstens etwas zu sammeln". Es gibt halt diese und jene Sichtweise.

Ist so ein Konzert in Oberhausen, so ein Heimspiel, noch etwas Besonderes für dich?

Es ist auf jeden Fall etwas Besonders, das kann ich gar nicht anders sagen. Wenn wir irgendwo im Ausland oder sonst wo spielen, da kommen Fans, die wir gar nicht persönlich kennen, aber wenn wir in Oberhausen spielen, da sind viele unserer Freunde und Bekannte, die ich von irgendwo kenne, da. Auch Leute, die eigentlich gar keine Metalfans sind, die aber immer mal sehen wollten, was ich so mache. Es ist immer schön, wenn die dann auch einen guten Abend haben. Die können sich  dann auch mehr darunter vorstellen. Ich mache ja viel Sport und wenn ich da Leute kennenlerne, dann fragen die halt auch, was das denn ist und die lade ich dann nach Oberhausen ein. Das ist natürlich etwas anderes und ist auch immer lustig, weil die mich dann auch einmal von einer anderen Seite kennenlernen.

Die kennen ansonsten wahrscheinlich METALLICA und "Nothing Else Matters" und werden dann ziemlich weggeblasen, oder?

Wenn überhaupt. Manche von denen sind auch nur im Elektro unterwegs und kennen Metal überhaupt nicht. Das wäre dann die Konsensband, von der sie eventuell mal gehört haben.

Gibt man sich bei so einem Konzert noch ein bisschen mehr Mühe?

Wir geben uns immer gleich viel Mühe. Es ist eine andere Atmosphäre. Früher war mir das nie so wichtig, im Ruhrgebiet zu spielen – bitte nicht falsch verstehen – weil mir jedes Konzert gleich wichtig ist, aber inzwischen ist das schon so ein Kult geworden, in der Turbinenhalle zu spielen, weil das immer ein ganz besonderer Abend wird, weil es immer der Höhepunkt einer jeden Tour ist und das hat sich über Jahre immer mehr zu einem Highlight entwickelt. Diese Entwicklung finde ich super und wir geben uns immer gleich viel Mühe, aber vielleicht in Oberhausen doch noch ein bisschen mehr, das kann sein.

Merkt man auf der Bühne, dass die Leute mehr abgehen oder ist das kein Unterschied zu anderen Konzerten, die gut laufen?

Du merkst das schon, gerade auch bei so einer Videoaufnahme. Das war ja allgemein bekannt, dass wir ein Video machen. Da haben sich die Leute schon richtig Mühe gegeben, das gut aussehen zu lassen. Das war perfekt und perfekter hätte es nicht werden können.

Ich habe die Turbinenhalle selten so voll gesehen, wie an diesem Abend. Rechnet man damit oder geht man davon aus, dass es so voll wird oder steht man dann da und ist überrascht, dass es wirklich knackevoll ist?

Man hofft es und freut sich, wenn es so ist. Wenn man als Headliner spielt, dann spielen immer ganz viele Faktoren mit rein, ob es voll ist oder nicht. Das war schon so voll, dass der Moshpit manchmal gar nicht richtig in Gang kam, weil es eben so voll war, das haben wir auch dann auf den Aufnahmen gesehen. Wir haben damit gerechnet, dass es voll wird, aber dass es so voll wird, war eine nette Überraschung.

Ich war im April bei AVANTASIA in der Turbinenhalle und da war es ähnlich voll. Da meinte der Tobias Sammet, dass die Luft immer dünner und es immer heißer wurde. War das bei euch auch so? Ist es tatsächlich so, dass es dann auch körperlich anstrengender wird?

Ja ja, klar. Du bist dann hinterher komplett nass geschwitzt, aber das ist ein positives Gefühl, man merkt, dass die Luft brennt – im wahrsten Sinne des Wortes.

Glaubst du, dass es für euch in Zukunft noch in größere Hallen gehen kann?

Wir hoffen es. Es gibt da keinen Masterplan und wir planen unsere "Karriere" überhaupt nicht. Wir versuchen immer, gute Alben zu machen. Das verlieren viele Bands leider ein wenig aus den Augen. Dadurch, dass man heute ständig touren muss, haben manche Bands auch nicht mehr die Zeit, sich mit ihrer Musik auseinanderzusetzen, was ja eigentlich das Wichtigste ist. Viele schustern dann in fünf Wochen irgendein Album zusammen, nur um dann auf Tour gehen zu können. Das ist für uns überhaupt keine Option. Wir nehmen uns wirklich ein Jahr lang frei, wo wir dann neun Monate in den Proberaum gehen und an den Songs arbeiten. Und vor diesen Monaten bin ich schon in irgendwelchen Studios gewesen und nehme Skizzen auf. Das ist eine wichtige Phase für die Band, für jede Band. Wenn man das vernachlässigt, kann man nicht erwarten, dass die Band wächst. Wenn man sich da aber Mühe gibt und versucht, das ultimative Album zu schreiben und alles zu geben, dann kriegt man auch Ergebnisse und dann kann man auch sagen "Vielleicht spielen wir das nächste Mal in der Philipshalle oder in der Grugahalle". Der Plan ist einfach, zu sehen was passiert und sich Mühe zu geben und für uns und die Fans gute Musik zu machen.

Also hast du auch das Gefühl, dass das Ende der Fahnenstange für euch noch nicht erreicht ist, was Erfolg und Wachstum angeht?

KreatorDefinitiv. Das wäre ja auch negatives Denken und ich denke immer positiv. Ich persönlich sehe schon noch Potenzial in der Band und ich sehe auch noch Wachstumspotenzial. Wenn ich jetzt sagen würde "Die Band ist groß und bleibt so", wäre das ja ein Schuss ins eigene Knie, weil ich dadurch Energie erzeugen würde, die eben das auch auslösen würde. Das hört sich vielleicht esoterisch an, ist es aber nicht. Wenn du nicht an dich und deine Musik glaubst, wer soll dann daran glauben?

Setzt dich das selber auch unter Druck?

Absolut nicht, im Gegenteil, das spornt mich an.

Ihr spielt ja noch ein paar Festivals im Sommer. Gibt es da etwas worauf du dich besonders freust?

Ich habe mich schon sehr über das Roskilde Festival gefreut, das war eines der besten Konzerte, die wir dieses Jahr gespielt haben. Ich freue mich eigentlich auf jedes Festival und danach kommt ja noch die Welttournee, wo es nach Amerika geht. Das finde ich immer sehr interessant, weil wir da nicht in so großen Hallen wie der Turbinenhalle spielen.

Wie ist da drüben allgemein euer Standing?

Relativ gut. Wir sind für eine deutsche Band gut aufgestellt und haben auch in großen Städten manchmal 1.500 Leute. Man spielt aber auch in kleinen Städten, in denen die Metalszene nicht mehr her gibt, als 200 Leute, die dann kommen, aber das ist auch super. Das ist immer eine super Übung und bringt dich auf den Boden der Tatsachen zurück.

Ich fände das auch mal geil, euch mit 200 Leuten in einem kleinen Club zu sehen…

Das macht auch voll Spaß. In die Clubs passen dann auch meist nicht mehr Leute rein. Wenn du es da schaffst, die Leute zu überzeugen, dann kannst du auf einer Wacken-Bühne viel besser bestehen. Das ist eine super Übung für jeden Musiker. Wenn du ein kleines Publikum überzeugst, bist du gewappnet für größeres.

Ist danach erst einmal Pause angesagt oder gibt es schon weitere Planungen für irgendwelche Aktivitäten?

Oh ja, da kommt noch was, nächstes Jahr. Wir haben noch nicht in Australien und Japan gespielt, das kommt nächstes Jahr auch noch. Und wenn das alles fertig ist, denken wir über ein neues Album nach.

In der Weltgeschichte ist zurzeit extrem viel los. Ist das inspirierend, was neue Texte angeht?

Gedanken mache ich mir schon, konkret werde ich noch nicht. Es ist auch noch ein bisschen früh. Ich nehme solche Sachen auch auf und habe auch schon ein paar Riffs mit meinem iPhone aufgenommen. Es geht langsam los und ich merke langsam, dass Inspiration kommt. Die ist zwar auch abrufbar, aber das hängt eher im Unterbewusstsein. Ich habe schon ein paar Ideen für Songs, aber die müssen noch reifen. Die sind dann da, aber die sind noch nicht konkret. Solche Sachen müssen wachsen. Ich habe schon drei oder vier Themen, aber wie das dann am Ende des Tages aussieht und wie ich das umsetze, das kann noch ein Jahr dauern, bis da irgendetwas zu Papier kommt. Manche Songs auf "Phantom Antichrist" sind schon vier Jahre alt, Fragmente, die dann erst gereift sind und dann erst aufs Album gekommen sind. Den Song "From Flood Into Fire" gab es schon mal, der hat es aber nicht auf "Hordes Of Chaos" geschafft und die Version auf "Phantom Antichrist" ist eine ganz andere, ein ganz anderer Song. Aber der Titel war schon mal da. Das ist ein unglaublicher langer Prozess.

Ihr habt jetzt seit einiger Zeit ein sehr stabiles Line-up. Würdest du vom besten und stabilsten Line-up sprechen, das ihr je hattet?

Ja, definitiv. Wir verstehen uns einfach sehr gut und sind auch erwachsen geworden. Jetzt in diesem Sinne, ich finde das Wort "erwachsen" ansonsten ganz schlimm. Jeder kennt seine Position und jeder weiß wo er steht und es gibt keine blöden Egogeschichten.

Tom Angelripper hat das ganz ähnlich im Interview ausgedrückt, man sieht viele Dinge anders, als vor 15, 20 Jahren. Das ist also nichts Ungewöhnliches in dem Alter.

Ja, wahrscheinlich. Du musst einfach auch mal einen Schritt zurückgehen und auch wenn viele Dinge wichtig sind, ist es am wichtigsten, dass die Bandchemie stimmt. Natürlich kann man nicht alle fünf Minuten Leute auswechseln, das wäre auch nicht das Ende von KREATOR, aber wir wollen das auch nicht. Wir wollen das Ding zusammen durchziehen und ich hoffe, dass es noch viele Jahre so weiter geht.

Gibt es denn noch irgendwelche klar definierten Ziele, die du mit KREATOR erreichen willst?

Ich will nicht, dass das irgendwann mal zu so einem peinlichen Ding wird, ich möchte, dass das vernünftig bleibt und dass wir als Band fit bleiben. Ich möchte, dass wir in noch viele Jahre in der Lage sind, in der Form zu stehen wie jetzt.

Ich hab euch in den letzten Jahren sehr oft live gesehen und würde mir für die Zukunft ein paar mehr Überraschungen in der Setlist wünschen. Wie siehst du das Thema selber?

Wir haben jetzt bei den letzten Konzerten wieder "Riot Of Violence" und "Under The Guillotine" ausgepackt. Das ist immer ein bisschen schwierig. Ich verstehe auch 100%-ig was du meinst, aber das ist immer so eine Sache, wenn man dafür "Extreme Aggressions" und "People Of The Lie" rausschmeißen muss, was irgendwie auch nicht gut ist. Das ist immer ein großer Kompromiss. Für die Abwechslung hast du mit einem Song wie "People Of The Lie" immer gewonnen und wenn du einen Song wie "Under The Guillotine" spielt, dann freuen sich 100 Leute die hinten stehen, aber der Rest kennt den Song manchmal gar nicht. Das ist immer so ein Abwägen. Viele Bands machen ja auch so ein Oldschool-Set wie IRON MAIDEN und gehen damit auf Tour. Vielleicht machen wir das irgendwann auch mal, damit Ruhe im Karton ist. Ich verstehe das aber, da fehlen dann die Überraschungen. Einerseits will man natürlich für Überraschungen gut sein, andererseits gibt es Songs, die einfach gespielt werden müssen. Da ist auch noch nicht das Ende erreicht und die Setlist ist auch ein ständige Diskussion und immer wieder ein Thema, auch zwischen Band und Fans. Da bringt man dann so was wie "Ripping Corpse" und keiner hat es gekannt. Wie man es macht, ist es dann nicht richtig.

Gibt es denn einen Song, den du gerne mal spielen würdest, aber wo du dich nicht gegen deine Kollegen durchsetzen kannst?

Es gab einen Song auf der "Enemy Of God", der hieß "The Ancient Plague", den fand ich super und den haben wir auch eingeprobt. Dann haben wir den auf einem Konzert gespielt und der hat absolut nicht funktioniert, da haben wir ihn wieder herausgenommen. Es ist nicht so, dass wir das nicht wollen. Wir haben letztes Jahr auch nochmal Songs von "Endless Pain" eingeübt, aber haben gemerkt, dass das totaler Schwachsinn ist, das funktioniert einfach nicht. Der Song "Endless Pain" funktionier t gut, den haben wir davor auch 15, 20 Jahre nicht mehr gespielt. Von "Pleasure To Kill" funktionieren die meisten Songs ganz gut, wobei der Titelsong selber am besten funktioniert. Von "Extreme Aggressions" funktionieren manche Sachen gar nicht. Wenn man so was wie "Love Us Or Hate Us" wieder ins Programm nimmt, auch da kennen das einige Fans, aber viele, die mit den neuen Sachen seit "Violent Revolution" aufgewachsen sind, für die ist das ein neuer Song, den sie zum ersten Mal hören. Ich sehe ein Konzert immer als einen langen Song und wenn das nicht funktioniert, wenn der Song durch irgendeine Obskurität in der Setlist nicht funktioniert, dann ist das schwierig, dann schmeiß ich den lieber raus.

Gibt es denn "The Few, The Proud, The Broken" auch mal live?

Den würde ich auch gerne live spielen. Vielleicht machen wir nochmal eine Festivaltour zum Album, dann werden wir auf jeden Fall auch andere Songs von "Phantom Antichrist" spielen.

Andreas Schulz (Info)
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