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The Doctorella: Mondscheinpsychose, Bordsteinrose (Review)
Artist: | The Doctorella |
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Album: | Mondscheinpsychose, Bordsteinrose |
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Medium: | CD/LP | |
Stil: | Deutscher Indie-Rock, Noise-Pop, Singer/Songwriter |
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Label: | Bohemian Strawberry | |
Spieldauer: | 46:44 | |
Erschienen: | 20.09.2024 | |
Website: | [Link] |
Liebe Männer! Jetzt müsst ihr stark sein. Denn wenn Sandra und Kersty Grether von THE DOCTORELLA ihre Stimmen erheben und in kombiniert deutscher wie englischer Sprache uns voller Ironie und Bissigkeit ihre Texte entgegenschleudern, dann gibt’s ein Paar rote Ohren für uns.
Beispiel gefällig?
Bitte sehr: „Ho ho ho, Vater kriegt das größte Steak. Frag' mich bitte nie mehr: / 'Seit wann ist es ein Privileg, ein Mann zu sein?' Ha!“
Oh – in diesem Sinne finden wir noch viele Beispiele, welche für unsere Psychosen sorgen, die uns sogar so weit treiben, dass wir bitten: „Aber schick mir lieber einen Albtraum, als eine weitere schlaflose Nacht.“
Das Quartett um die Geschwister Grether beschert uns tatsächlich auf „Mondscheinpsychose, Bordsteinrose“ schlaflose Nächte, wenn man beginnt, die außergewöhnlichen, wirklich zwischen Sarkasmus und Zynismus schwebenden Texte ernsthaft verstehen zu wollen.
Psychosen sind angesagt – vielleicht auch wegen des schräg anmutenden Gesangs der Beiden, der einen vermuten lässt, dass THE DOCTORELLA in letzter Zeit oder ihrer frühen Jugend viel NICO und VELVET UNDERGROUND gehört haben und nunmehr beschlossen, deren deutsche Ausgabe zu werden, versehen mit einer provokanten NINA HAGEN-Punk-Attitüde. Also Banane raus und „Mondscheinpsychose, Bordsteinrose“ aufgelegt (wobei auf der LP-Ausgabe aus Kapazitätsgründen der auf der CD enthaltene „Der Angstsong“ fehlt)!
Da dürfen gerne auch mal die Nähmaschinen rattern oder verzerrte Gitarren nerven, während schräge Flötentöne nach einer Vereinigung mit quietschenden Feedbacks suchen, wobei die Synthies sowieso machen, was sie wollen, obwohl die Rhythmusfraktion aus Bassgitarre und Schlagzeug (und manchmal auch Klavier und Gitarre) für eine rhythmische Grundierung der umfangreichen Texte sorgen, bei denen man sich oftmals fragt, ob der Gesang nun absichtlich so seltsam klingt oder es in der Natur der beiden Sängerinnen liegt – eins aber ist klar: „Meine Lebensthemen sind so anders, als die deinen / Obwohl sie sich insgeheim so toll aufeinander reimen...“ („Erdbienen“)
Auf ihrem bereits dritten Album setzen THE DOCTORELLA wiederum auf vielseitig instrumentierte Noise-Pop-Songs mit großartigen, bidhaften Texten, welche mit viel Ironie Politisches, Persönliches, Zwischenmenschliches, Freud und Leid thematisieren und dabei jedes Tabu auf die Schippe nehmen, getreu ihrem ausgegebenen Motto in „Krawalle & Liebe“: „Strike – Ich like nicht mehr mit! / Fight – 'Fuck up' heißt die Formel für das größte Glück!“
In diesem Sinne ist es ein großes Glück, THE DOCTORELLA und ihre therapeutischen Musik-Mittel gegen unsere Zwangsneurosen zu kennen, die allerdings bei zu biederen Zeitgenossen auch ganz schnell in das komplette Gegenteil umschlagen können. Denn wer diesen Pop-Feminismus sät, kann viel Freude, aber auch jede Menge Hass ernten. Alles eine Frage des Blickwinkels eben, den so viele heutzutage komplett schräg fokussiert zu haben scheinen. Für die gilt dann vielleicht doch der Album-Opener der LP-A-Seite „Wer wagt verliert“ statt der der LP-B-Seite mit der für jeden Mann sicher in erster Linie als Bedrohung empfundenen weiblichen Aufforderung: „Komm, wir kaufen Sommerkleider“.
FAZIT: „Wenn wir tot wären“ und THE DOCTORELLA nicht kennen würden, dann hätten wir am Ende tatsächlich etwas verpasst. Das Noise-Pop-Indie-Rock-Quartett um die deutsch-englisch-gemischt-singenden Schwestern Grether samt ihren zwei sie begleitenden 'Hänseln' verblüffen mit metaphorisch überlaufenden, großartigen Texten, die keinerlei Fettnapf auslassen und gerade darum so unvergleichlich sind. Die Musik wie der Gesang dazu ist allerdings ebenso gewöhnungsbedürftig und nimmt uns mitunter weit zurück in die Zeit von NICO & THE VELVET UNDERGROUND, als die noch dank der Warhol-Banane weltberühmt wurden. „Mondscheinpsychose, Bordsteinrose“ fehlt zwar die Banane, die Ideen aber keinesfalls, weswegen wir es mal bei der grandiosen Feststellung von „Oh Antonio“ belassen wollen: „Falsche Gedanken sind der Schnee, / Der viel zu lange auf dem Gestern lag / After all the...“
- 1-3 Punkte: Grottenschlecht - Finger weg
- 4-6 Punkte: Streckenweise anhörbar, Kaufempfehlung nur für eingefleischte Fans
- 7-9 Punkte: Einige Lichtblicke, eher überdurchschnittlich, das gewisse Etwas fehlt
- 10-12 Punkte: Wirklich gutes Album, es gibt keine großen Kritikpunkte
- 13-14 Punkte: Einmalig gutes Album mit Zeug zum Klassiker, ragt deutlich aus der Masse
- 15 Punkte: Absolutes Meisterwerk - so was gibt´s höchstens einmal im Jahr
- Seite A (22:32):
- Wer wagt verliert (3:25)
- Saint White Male (3:38)
- Cliffhanger (5:14)
- Oh Antonio (4:53)
- Aber schick mir lieber einen Albtraum, als eine weitere schlaflose Nacht! (5:22)
- Seite B (24:12):
- Komm, wir kaufen Sommerkleider (5:17)
- Krawalle und Liebe (4:26)
- Erdbienen (6:06)
- Wenn wir tot wären (4:32)
- Wonder Woman (3:51)
- Bass - Sascha Rohrberg
- Gesang - Sandra Grether, Kersty Grether
- Gitarre - Sascha Rohrberg, Kersty Grether
- Keys - Sandra Grether
- Schlagzeug - Daniel Benyamin
- Mondscheinpsychose, Bordsteinrose (2024) - 11/15 Punkten
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