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Klaus Schulze: Richard WAHNFRIED's Tonwelle (Review)

Artist:

Klaus Schulze

Klaus Schulze: Richard WAHNFRIED's Tonwelle
Album:

Richard WAHNFRIED's Tonwelle

Medium: CD
Stil:

Weltmusikalischer Krautrock mit elektronischem Einschlag

Label: M.I.G. Music
Spieldauer: 82:48
Erschienen: 12.02.2012
Website: [Link]

Beginnen wir doch gleich einmal mit einem üblen Etikettenschwindel!

Vor gar nicht all zu langer Zeit hatte ich entdeckt, dass es ein WAHNFRIED-Album aus dem Hause KLAUS SCHULZE gibt, das ich nicht kannte. Doch gerade das Pseudonym RICHARD WAHNFRIED versprach mir grundsätzlich tolle, abwechslungsreiche und recht vielfältig instrumentierte Musik, bei der an den Keyboards immer KLAUS SCHULZE das Regiment übernahm. So konnte einem nie der Fehler bei dem riesigen Schulze-Output geschehen, eins seiner manchmal bis zur austauschbaren Unerträglichkeit vor sich hinwabernden Synthie-Alben zu erstehen. Gerade wenn der begnadete - mit deutlichem Hang zu Minimalmusik, Kraut- und Psychedelic-Rock - Gitarrist von ASHRA, MANUEL GÖTTSCHING, darauf mitmischte, durfte man sich sicher sein, ein spannendes Klangerlebnis zu erwarten.

Nur dann erschien 1997 das Album „Wahnfried – Drums 'n' Balls (The Gancha Dub)“ - und ich Gutgläubiger kaufte es ungehört. Entsetzt stellte ich dann beim Hören und Lesen der Liner-Notes fest, dass diese CD im Grunde eine Schulze-Solo-Scheibe ist, in der das einzig Fremde ein Vocal-Sample von SNAP! war. Mit RICHARD WAHNFRIED hatte die Musik höchstens so viel zu tun wie eine Hamster- mit einer Stereo-Box. Zumindest war ich ziemlich sauer und versenkte die CD in meinem Regal unter den Begriff „Vergiss es!“

Dabei hatte ich mir noch in den frühen 80ern in der sogenannten Zone für ein Heidengeld einen Sampler mit elektronischer Musik aus dem güldenen Westen gekauft, der „German Rock Scene – Vol. VI“ hieß und auf dem mich RICHARD WAHNFRIED begeisterte. Hier musizierte KLAUS SCHULZE gemeinsam mit dem SANTANA-Schlagzeuger MIKE SHRIEVE und der singenden „Fire“-Legende ARTHUR BROWN. Außerdem erhielt man auf der Platte noch die Information: „RICHARD WAHNFRIED ist das kollektive Pseudonym einer Idee: Zeit-Elektronik, ein Versuch zwischen Avantgarde und Muzak. Gebrauchsmusik für betonte Räume, in denen eine andere Generation aufwächst. RICHARD WAHNFRIED ist diese Generation. Musik zwischen Genie und Wahnsinn: Neue Ideen durch ein altes Medium an euer Ohr.“ Schulze selbst hatte diese Zeilen verfasst – doch 17 Jahre später schien er wohl auf Assauers (Alzheimer-)Spuren zu wandeln.

Nun aber schreiben wir das Jahr 2012 und das „Alte Ego von KLAUS SCHULZE“ feiert durch MIG Music seine Wiederauferstehung als „Richard Wahnfrieds Tonwelle“ - ein Album, das 1981 offiziell unter RICHARD WAHNFRIED – übrigens ein Wortspiel, das sich auf RICHARD WAGNER bezieht – erschien und bei dem heute die beiden Bonustitel länger als die beiden Originale sind.

Doch das ist nicht das einzige Kuriosum.

Aus einem Versehen heraus hatte man 1981 die Vinyl-Version dieses Albums in einer „zu schnellen Variante“ (nämlich statt der 33 1/3 rpm in der 45 rpm-Variante) herausgebracht, ohne das anfangs zu bemerken. Dieses Kuriosum wird auf der neuen Ausgabe aufgelöst, denn die erste CD enthält die „Fehlpressung“, während die zweite CD das geplante, langsamere Original erklingen lässt.

Das zweite Kuriosum erscheint noch eigenartiger.

Und es hat sogar einen Namen: KARL WAHNFRIED, der zweite Gitarrist neben MANUEL GÖTTSCHING. KLAUS SCHULZE betonte stets und ständig bis heute, dass er den Namen dieses Gitarristen aus rechtlichen Gründen nicht nennen darf und eine Vielzahl von detektivischen Vermutungen schossen deswegen ins Kraut. Erster Verdächtiger beim geheimnisvollen Griff in die Gitarren-Saiten ist hierbei CARLOS SANTANA, was natürlich durchaus Sinn macht, wenn man einfach einen Blick auf die Herkunft des Schlagzeugers und des Sängers dieses Albums wirft. Wer allerdings genauer hinhört, der muss bzw. sollte erkennen, dass ein CARLOS SANTANA hier definitiv nicht die zweite Gitarre spielt und ich bin mir sicher, dass trotz aller schulzscher Geheimniskrämerei SANTANA auf „Tonwelle“ nicht involviert ist.

Womit ich beim nunmehr letzten Kuriosum dieser CD wäre.

Die Titelnamen des Albums erscheinen wie die verbale Antithese zur Musik. „Schwung“ ist nicht schwungvoll, sondern eher „druckvoll“ ;-) mit einem gleichförmigen Keyboard-Grundrhythmus versehen, auf dem besonders der Gitarrist GÖTTSCHING vordergründig brilliert und außerdem eine E-Gitarre wilde Eskapaden veranstaltet, während SHRIEVE beide Gitarristen an den Percussions begleitet und ausschließlich durch SHRIEVEs Percussion-Arbeit ein klitzekleines SANTANA-Gefühl aufkommt. Der deutlich härtere Anschlag der „Karl-Wahnfried-Gitarre“ (besonders deutlich auf der zweiten CD) beweist hier eindeutig, dass die eben keine „Carlos-Wahnfried-Gitarre“ sein kann. Zusätzlich taucht auch immer wieder der stark verfremdete Gesang von MICHAEL GARVENS auf, der deutlich an die vokalistischen Ausflüge eines ARTHUR BROWN auf „Shadows Of Ignorance“ vom KLAUS SCHULZE-Album „Dune“ erinnert.

„Druck“ dagegen ist alles andere als druckvoll. Der Begriff Ambient oder schwebend oder Welle passt hier schon eher. Verträumte Elektronik mit verhaltener Gitarre und zarter perkussiver Begleitung, die ohne Weiteres einem entspannten Naturfilm mit Sonnenauf- und -untergängen über dem Meer Pate stehen könnte.

Ähnliches gilt natürlich auch für die zweite CD – diesmal alles nur ein wenig gebremster, langsamer und rätselhafter, da jeder Hörer nunmehr für sich entscheiden darf, welche der beiden Versionen von „Tonwelle“ ihm besser gefällt – das fehlerhafte, weil zu schnelle Original oder das beabsichtigte, verhaltenere Vinyl-Wunschstück. Ich plädiere eindeutig, genauso wie KLAUS SCHULZE („Ich finde die Aufnahme im langsameren Tempo sehr viel besser, obwohl 'Schwung' und 'Druck' nicht mehr so ganz passen.“), für die zweite CD, weil sich die Musiker sicher etwas dabei gedacht hatten, in dieser Version „Tonwelle“ veröffentlichen zu wollen, auch wenn einen die Titelnamen gerade bei dieser Alternative in die Irre leiten.

Aber neben dem Rätsel um KARL WAHNFRIED beschäftigt mich noch ein weiteres Geheimnis, das sich aus meiner Sicht um die langsamere Variante von „Tonwelle“ rankt. Nach mehrmaligem Hören der zweiten CD fragte ich mich die ganze Zeit: „Woran erinnert dich diese Musik nur so sehr. Etwas ganz Ähnliches kennst du doch schon?“ Und mit einem druck- und schwungvollen Schlag kam bei mir die Erleuchtung. In den späten siebziger Jahren hatte ich mir auf dem DDR-Schwarzmarkt das Album „New Age Of Earth“ (1977) von ASHRA, dem „Alten Ego“ von MANUEL GÖTTSCHING, besorgt und war begeistert. Auf diesem Solo-Album von Göttsching, nachdem KLAUS SCHULZE bei ASH RA TEMPEL ausgestiegen war, gibt es unglaubliche Parallelen zu der 5 Jahre später erschienenen „Tonwelle“, dem angeblich „Alten Ego“ von KLAUS SCHULZE. Fast liegt die Vermutung nahe, dass dieser RICHARD WAHNFRIED, der jetzt ebenfalls ein wenig etikettenschwindlerisch als Klaus-Schulze-Album (feat. Göttsching & Shrieve – ohne Erwähnung von Garvens) vertrieben wird, eher ein „Alter Ego“ von Manuel Göttsching sein sollte! Vielleicht könnte darüber KLAUS SCHULZE mal Auskunft geben, anstatt wegen einem imaginären Karl solche kindische Geheimniskrämerei zu betreiben.

FAZIT: „Richard Wahnfrieds Tonwelle“ ist die Wiederentdeckung eines raren Musikgoldstücks aus der Kombination elektronischer Musik mit akustischen und elektrischen Gitarren sowie den perkussiven Meisterleistungen des einstigen SANTANA-Drummers. Veredelt durch den verfremdeten Gesang des ehemaligen SANTANA-Sängers. Ein kleines Meisterwerk aus einer Zeit, in der in Deutschland die Neue Deutsche Welle übers Land schwappte, um den Krautrock zu beerdigen. Gott sei Dank ist der Krautrock wieder zurück und wird nach und nach in vorbildlicher Weise vom tollen Label MIG Music wiederbelebt!

PS: Hoch interessant ist auch, dass im gleichen Jahr wie „Tonwelle“ das „Schach-Album“ E2 – E4 (Eine klassische Spieleröffnung im Schach, wo der Bauer von E2 auf E4 zieht!) von MANUEL GÖTTSCHING erschien, das heute in dem legendären Ruf steht, die Jahre später neu entwickelte Musikform des Techno maßgeblich geprägt zu haben. Auch dieses Album hätte von mir locker den gleichen Punktwert wie „Tonwelle“ erhalten! Gleiches gilt auch für das bisher unentdeckte RICHARD WAHNFRIED-Album „New Age Of Earth“ ;-)

Thoralf Koß - Chefredakteur (Info) (Review 11242x gelesen, veröffentlicht am )

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Tracklist:
  • CD 1:
  • Schwung (45 rpm-Version)
  • Druck (45 rpm-Version)
  • CD 2:
  • Schwung (33 1/3 rpm)
  • Druck (33 1/3 rpm)

Besetzung:

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Interviews:
Kommentare
Musikfan
gepostet am: 14.02.2012

Kennt der Rezensent das Statement von Klaus Schulze zu dieser Veröffentlichung? Anscheinend nicht. Kann man auf "www.klaus-schulze.com" nachlesen.
Das mit den 33/45 rpm ist wohl ein Irrtum.
Thoralf Koß [musikreviews.de]
gepostet am: 14.02.2012

User-Wertung:
10 Punkte

Jetzt kenne ich den Kommentar und es ist beinahe lächerlich, dass BEIDE Versionen nicht im richtigen Tempo sind!

Bekomme ich demnächst vielleicht alle anderen Alben von Schulze auch in veränderten Fassungen. Mal langsamer, mal schneller. Da muss ich mich ernsthaft fragen, was das soll! Außerdem erweist Schulze damit der elektronischen Musik keinen Gefallen, wenn man sie einfach so in beliebig veränderten Varianten auf den Markt wirft.

Für mich war nur das in meiner Rezi verwendete Zitat bindend - und das kann man genau so auf der CD finden - allerdings in Englisch!

Das ist dann ja schon der dritte Etikettenschwindel und normalerweise müsste ich meine Wertung unter diesem Aspekt nach unten korrigieren, was ich jetzt auch vornehmen werde.

3 Punkte weniger finde ich unter diesem Aspekt durchaus angebracht!

Aber vielen Dank für den Hinweis!
Walla
gepostet am: 21.03.2012

Dies Cd ist betrug hat nichts mit dem original
zu tun. Gesang viel zu langsam und undeutlich,
schlechter Mix.
(-1 bedeutet, ich gebe keine Wertung ab)
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